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Presseberichte  
     


Bustour für New Orleans

Der Musik auf der Spur

Ron Lechtenberg von der münsterischen New-Orleans-Connection an der Gitarre                                                                Fotos: Rupert Joemann



Thomas L’Etienne auf der Klarinette

 

Gronau - Ron Lechtenberg hat die Augen geschlossen. Das Gesicht streckt er genüsslich gen Sonne. Dabei spielt das Mitglied der münsterischen New-Orleans-Connection auf seiner Gitarre gerade Udo Lindenbergs Mega-Hit „Sonderzug nach Pankow“. Die Gäste auf dem offenen Oberdeck des Bus-Doppeldeckers klatschen rhythmisch und singen teilweise mit.
Die Szene hat Symbolcharakter: Die Musik-Kultur-Tour durch Gronau ist ein voller Erfolg. Wenn sich auch Organisator Elmar Hoff sicherlich über ein paar mehr Gäste als die knapp 20 gefreut hätte.
Hoff hat die Fahrt anlässlich des zehnten Jahrestags der Hurrikan-Katastrophe „Katrina“ in New Orleans organisiert. 1800 Menschen starben damals bei einer der verheerendsten Naturkatastrophen in den USA. Die Ursprungsstadt des Jazz stand zu 80 Prozent bis zu 7,60 Meter unter Wasser.
Der Erlös der Musik-Kultur-Tour fließt in das Projekt „Help New Orleans“. Mittlerweile haben Hoff und seine Mitstreiter in zehn Jahren europaweit 250?000 Dollar gesammelt und zahlreiche Projekte in der zerstörten Stadt am Mississippi unterstützt. An der Skulptur „Music Never Stops“ legt Elmar Hoff in Gedenken an die Opfer des Hurrikans einen Blumenstrauß ab
Während Ron Lechtenberg genüsslich in die Sonne blickt, improvisiert Thomas L’Etienne gekonnt auf seiner Klarinette. Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ ist nun wahrlich kein klassischer Song für die Klarinette. Der Hamburger gilt als einer der besten Vertreter der lebenden New-Orleans-Musik. L’Etienne hat es sich nicht nehmen lassen, extra für die Bus-Tour nach Gronau zu kommen. Auch Lillian Boutté, musikalische Botschafterin ihrer Heimatstadt New Orleans, wollte dabei sein, musste aber wegen eines Todesfalls in der Familie kurzfristig absagen.
In einem grellen grünen Outfit nimmt Dr. Heiner Hoffmeister an der rund dreistündigen Tour am Samstag teil. „Ich möchte etwas über die Entwicklung des Jazz in Gronau erfahren“, sagt der Coesfelder während der Frühstückspause an der Bürgerhalle. Es werden Muffuletta, typische Sandwiches aus New Orleans, gereicht. Er wird nicht enttäuscht.
Elmar Hoff, fast 25 Jahre Verantwortlicher für das Kulturmanagement der Stadt Gronau, kennt sich bestens aus. Bei jedem Stopp erzählt er Interessantes über die Geschichte Gronaus. Die unterteilt Hoff in drei wichtige Epochen: der Salzwassersee vor 130 Millionen Jahren, der Witwensitz der evangelischen Enklave im katholischen Münsterland und die Textilbarone aus den Niederlanden ab 1840. „Und die haben für die Hochkultur in Gronau gesorgt“, erzählt Elmar Hoff. Allen voran die Familie van Delden.
Eine zwiespältige Position nimmt aus Sicht von Elmar Hoff dabei Joachim von Ostau ein, der Ehemann von Erna van Delden. „Er war überzeugter Nazi, hat aber auch viel für die Kultur in Gronau getan“, erzählt Hoff, als die Gruppe vor der alten Villa von Ostau steht. „Von hier aus wurde alles gesteuert.“ Gronau spielte eine wichtige Rolle im kulturellen Austausch zwischen Deutschland und den Niederlanden, zwischen Berlin und Amsterdam.
Das Apollo-Theater, seit 1934 eine Kombination aus Kino-, Theater- und Konzertsaal, war dabei die große Bühne. Hoff: „Hier wurde auch die Operette ‚Insel der Träume‘ uraufgeführt.“ Alles, was in Gronau auf die Bühne kam, wurde zunächst aber im Clubhaus der Textilbarone der oberen Gesellschaft gezeigt. Erst danach kam es ins Apollo-Theater. Mit dem Niedergang der Textilindustrie ging auch diese Ära zu Ende.
Die Bus-Tour führt natürlich auch an der Udo-Lindenberg-Statue an der Ochtruper Straße vorbei. Elmar Hoff bricht dabei eine Lanze für den Rockstar. „In weit mehr als zehn Songs kommt Gronau vor“, wehrt er Kritik an Lindenberg ab, der Musiker hätte sich von Gronau distanziert. Lindenberg hänge immer noch sehr an seiner Heimatstadt und unterstütze diese an vielen Stellen, auch wenn der Musiker das nicht publik mache. „Er hätte seinen Weg aber nicht gehen können, wenn er die Ochtruper Straße nicht verlassen hätte“, betont Elmar Hoff.

Rupert Joemann, Westfälische Nachrichten Gronau, 31.08.2015