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Presseberichte  
     
Vorweihnachtliches Konzert in der Stadtkirche
Amerikanisch, abwechslungsreich, authentisch

Die Soulful Swinging Singers und der Posaunenchor der Erlöserkirche sowie Lillian Boutté und ihre Music Friends mit Denise Gordon gestalteten am Freitagabend ein Konzert in der Stadtkirche, Fotos: Martin Borck

Gronau - Amerikanisch, abwechslungsreich und authentisch: Drei Attribute, mit denen sich das Konzert am Freitagabend in der Ev. Stadtkirche am besten beschreiben lassen.
Abwechslungsreich war es allein schon wegen der Akteure: Der Ev. Posaunenchor der Erlöserkirche, die Soulful Swinging Singers und nicht zuletzt Lillian Boutté mit ihren Music Friends gestalteten den Abend. Amerikanisch trifft den Charakter des Abends deshalb, weil Gospels den Hauptteil des Konzert bildeten – und eine Komposition, die wie wenige andere als eine Ikone für das musikalische Selbstbewusstsein Nordamerikas gelten kann: die „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin, die 1924 uraufgeführt wurde.

In Gronau erklang die Rhapsody in einem Arrangement von Dirk Verholle, präsentiert vom Posaunenchor und Dr. Tamás Szöcs als Solist am Flügel. Ein anspruchsvolles Werk, das mit seinen zahlreichen stilistischen Kontrasten hohe Anforderungen an alle beteiligten stellt. Der zur Entstehungszeit noch relativ junge Jazz findet (vor allem durch Ragtime-Einsprengsel) ebenso seinen Niederschlag in der Rhapsody wie die damals aktuellen Strömungen der europäischen Musikwelt. Gershwin gelang mit seiner Synthese der Entwurf einer eigenen Tonsprache – und die Gronauer Musiker verliehen dieser Sprache – vom großartigen Auftakt-Glissando bis zum Schlussakkord – ausgezeichnet Ausdruck. Schön, dass sich hiesige Musiker an solche Herausforderungen heranwagen.
Der Gronauer Gospelchor zog nach der Pause unter Begleitung einiger Musiker des Posaunenchors in die Kirche ein. Die Soulful Swingin Singers (unter der neuen Leitung von Dietmar Schultz) haben neben traditionellen Gospels viele soulige Titel im Repertoire. Diese sangen sie mit gutem Gefühl für Timing und Textverständlichkeit. Witzig: Zum Schluss von „Lean on me“ lehnten sich die Chormitglieder tatsächlich alle gegeneinander und gaben sich Halt.
„Gospels und Spirituals aus dem Songbook vom Mahalia Jackson“ bildeten den Hauptteil des Konzerts. Das Publikum bekam Gelegenheit, die Stimmen zweier großartiger Sängerinnen zu vergleichen. Weder Lillian Boutté noch Denise Gordon unternahmen den Versuch, Mahalia Jackson kopieren zu wollen. Das würde ja auch dem künstlerischem Selbstverständnis im Gospel und Jazz allgemein widersprechen. Hier ist schließlich der persönliche Ausdruck das A und O. Lillian Boutté hat ein Reibeisen in der Kehle, das sie an- und abschalten kann, um höhere Expressivität zu erzeugen. Denise Gordon dagegen sorgt mit geschickter stimmlicher Dynamik für ihren eigenen Ausdruck. Im Duett wie zum Beispiel bei „I‘m on my way“ ergänzten sie sich hervorragend.
Die exquisite Combo bestand aus dem mit warmen Timbre geschmeidig spielenden Thomas l‘Etienne (Saxofon/Klarinette), dem großartigen Roy Williams (Posaune) und dem formidablen Kyle Roussel (der am Piano originell „Big Chief“ von Prof. Longhair darbot) sowie Kerry Lewis (dessen Bass leider bei seinem Solo wegsumpfte) und Walter Harris, der unaufdringlich seine Akzente setzte. Sehr authentisch das Ganze. Selbst dass schließlich auch Liedgut aus Deutschland erklang, passte – schließlich hat auch Mahalia Jackson „Silent Night“ („Stille Nacht“) interpretiert.
Zur Zugabe „O when the Saints“ kamen die Soulful Swinging Singers noch einmal auf die Bühne. Und als krönenden Abschluss gab es vom Gospelchor und Posaunenchor „I will follow him“ – wobei der Gesang allerdings im Sound der Instrumente etwas verloren wirkte. Doch das konnte den Gesamteindruck eines gelungenen Konzertabends nicht trüben.

   Martin Borck, Westfälische Nachrichten Gronau, 14.12.2014