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Presseberichte  
     
 

Gute Seele des Jazzfestes



Zum Schluss des Frühschoppens jammten alle Musiker gemeinsam, darunter Lillian Boutté, Christian Christl und Thomas Gerdiken.                                       Foto: H. Springer

Gronau - Lillian Boutté ist und bleibt eine gute Seele des Gronauer Jazzfests: warmherzig, authentisch, musikalisch überzeugend. Eine bessere Botschafterin hätte ihre Heimatstadt New Orleans kaum finden können. Daher ist es wunderbar, dass sie immer wieder beim Jazzfest - oder auch zu anderen Anlässen - in Gronau auftritt. Andersherum fühlt auch sie sich seit langem im „New Orleans des Münsterlandes“ fast heimisch.

Am Maifeiertag waren sie und ihre European Music Friends umjubelte Stars des Jazz-Frühschoppens. Die Band kann völlig unterschiedliche Stile spielen - vom Blues über kreolisch-dampfende Titel bis zu gospelinspirierten Stücken - die Geschmeidigkeit, der Drive und nicht zuletzt die ausdrucksstarke Stimme Lillians drücken dem Ganzen einen unverwechselbaren Stempel auf. Mit Thomas lEtienne (Sax, Klarinette) hat sie einen Partner, der hervorragend auf sie eingeht. Phil Purnell steuerte den New-Orleans-Piano-Style bei, Daisy Palmer begleitete taktvoll am Schlagzeug und Denny Ilett kommentierte schön an der E-Gitarre, während Torben Bjornskov elegant den Kontrabass zupfte.
Von Klassikern wie „Meet me at the station in the morning“, das rockige „Barfoot“, zu dem Lillian ihre Schuhe auszog wurde ein farbenfroher Mix geboten. Einen mitreißenden Ausklang stellte das „Party my troubles away“ dar, eine Komposition von Pianist Phil Purnell.

Boogie-Pianist Thomas Gerdiken hatte es als Einzelunterhalter natürlich schwer, die Zuhörer in Stimmung zu bringen, vor allem nach dem Boutté-Auftritt. Er haute vehement in die Tasten, verlieh Stücken wie „Sunny Side of the Street“ oder auch „Im walking“ von Fats Domino einen neuen Charakter und interpretierte auch Titel wie „You can leave your hat on“.

Pianist reimt sich nicht auf „Charmeur“ - „Pianeur“ aber schon. Als solchen bezeichnete sich Christian Christl, Chef der „Cottonfield Blues Band“. Und Charme versprühte der Bayer durchaus, genauso wie einen satten Klavierton, der von seiner Band mit Micha Maass (Schlagzeug), Rocky Knauer (Bass), Omar Kabir (Trompete) und Eddie Taylor (Tenorsaxofon) klangvoll eingefasst wurde. Die Musiker erwiesen Fats Domino Reverenz mit etlichen Stücken aus dessen Feder. „Iko Iko“ wurde zu einer Hommage an den „Mardi Gras“, den Karneval in New Orleans, und der Titel „Life“ von Allen Toussaint eine Anklage gegen den Rassismus. Bei allem Unterhaltungswert, den die Musik hat, sind den Musikern politische Stellungnahmen wichtig. Auch Lillian Boutté hatte den Randy-Newman-Song „Louisiana“ aktualisiert und derbe Kritik gegen Präsident Bush eingearbeitet, dem sie - und nicht nur sie - Untätigkeit nach dem Hurrikan Katrina vorwirft.

Zum Schluss des feiertäglichen Jazzfrühschoppens kamen noch einmal alle Musiker auf die Bühne und jammten frisch drauf los. Eine Wahnsinns-Stimmung herrschte nun auf und vor der Bühne, so dass man die unvermeidlichen musikalischen Collateralschäden gut verschmerzen konnte.

 Martin Borck

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