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Presseberichte  
     
 

Operette "Insel der Träume" vor 70 Jahren in Gronau uraufgeführt

Die Operette "Insel der Traume" wurde vor 70 Jahren in Gronau uraufgeführt. Mit dem Autor und Regisseur Joachim von Ostau als Darsteller und dem Komponisten Hans-Martin Majewski am Pult. Alfred Hagemann hat die Geschichte dieser Operette erforscht und in den historischen Kontext eingebettet. In dem gemeinsam mit Elmar Hoff herausgegeben Buch "Insel der Träume" über die gemeinsame Musikgeschichte von Gronau und Enschede nimmt die Produktion breiten Raum ein. Hagemann und Hoff arbeiten in den "Gronau-Projekten" auf eine Wiederaufführung der Operette hin. Außerdem sollen weitere Projekte (Ausstellungen Lesungen, Stummfilm-Musik) die Musik und Kultur der 30er-Jahre wieder aufleben lassen. Der folgende Text von Alfred Hagemann beinhaltet auch neuere Informationen, die erst nach Erscheinen des Buchs ans Tageslicht kamen.
 

Technikkult, Südseeträume und ein bisschen Liebe

Die nationalsozialistische Kulturpolitik hatte für die Spielpläne der Operettenbühnen dramatische Auswirkungen: Nur zehn Prozent des Repertoires war nach einer Einschätzung des Oberregierungsrats Schlosser aus dem Jahr 1934 "rein arischen Ursprungs" und damit unproblematisch. Die praktischen Konsequenzen liegen auf der Hand. Durch das Verbot der "jüdischen" Erfolgsstücke und die Suche nach ideologisch korrekten "Lückenfüllern" waren nun Komponisten und Textdichter gefragt, die für die Operettenwelt vor 1933 eher unbedeutend waren. Jessels "Schwarzwaldmädel" wurde auf den Spielplänen der späten 1930er-Jahre beispielsweise durch Dostals "Monika" (1937) ersetzt, Kalmans "Gräfin Mariza" durch Dostals "Ungarische Hochzeit" (1939). Und auch für Paul Abrahams "Blume von Hawaii" (1931) scheint es seit 1938 ein "Ersatzprodukt" gegeben zu haben, dem aber ein größerer Publikumserfolg verwehrt blieb: die Operette "Insel der Träume" yon Hans-Martin von Majewski (1911-1997).

Die Schlüsselfigur für die Entstehung und Aufführung dieser Operette war ihr Textdichter, der Schauspieler, Autor, Theaterdirektor und Fabrikant Joachim von Ostau (1902-1960). Ostau beendete 1931 seine Berliner Theaterkarriere, wechselte in die Gronauer Textilindustrie und betrieb die Kunst fortan im Nebenberuf. Zu seiner schillernden Persönlichkeit gehört eine zweijährige NSDAP-Mitgliedschaft, die bereits 1932 mit einem Parteiausschlussverfahren endete und für bleibende Spannungen sorgte. Abgesehen von seinen politischen Dramen war Ostau vor allem ein Mann der Operette und des Boulevardtheaters. Die günstige Aufnahme seines Singspiels "Hilfe - ein Geldfeind!" (Baden-Baden 1934; Musik: Hans Jönsson) und die Regieerfolge in Enschede und Gronau ab 1935 beförderten sein Operetten-Projekt "Insel der Träume", dessen Eigentümlichkeiten sich wohl nur durch Entstehung im Gronauer Fabrikanten-Club und die Umsetzung durch die "Enschedesch' Opera en Operette Gezelschap" (E.O.O.G.) erklären lasst. Die E.O.O.G. war im September 1935 als deutsch-niederländisches Unternehmen in Enschede gegründet worden - vor allem wohl, um den Auflagen der Reichskulturkammer zu entgehen.
Ostau konzipierte ab 1936 Jahre eine Operette für die Gronauer und Enscheder "Stars", die mit ihm in der Operettengesellschaft und im Club zusammenarbeiteten. Er wählte deshalb eine vergleichsweise schmale Besetzung und legte großes Gewicht auf Tanzeinlagen - denn seine Hauptakteure waren zwar als Tänzerinnen, nicht aber als Sängerinnen ausgebildet. Für sich selbst entwarf Ostau die Bufforolle eines Reporters. Die noch vorhandenen Lucken wurden mit professionellen Kräften aus Leipzig und Göttingen geschlossen. Die UFA vermittelte Ostau einen Kontakt zu Hans-Martin Majewski, der als Korrepetitor und Filmkomponist am Anfang seiner Karriere stand. Durch den privaten Kompositionsauftrag winkte Majewski die Chance, ein erstes abendfüllendes Werk zu komponieren - und er griff zu.
Der enge Zeitplan (das eigentliche Ziel war eine professionelle Premiere in Oldenburg) verhinderte jedoch eine Vorstellung in Enschede, wo die Planungen für die Theatersaison langst abgeschlossen und die Säle bereits vergeben waren. im Gronauer "Apollo-Theater" wurden deshalb zwei Termine angesetzt, der 12. und 16. Mai 1938. Die Uraufführung war gleichzeitig eine glamouröse Benefizveranstaltung für das Rote Kreuz. Nach einer Überarbeitungsphase wurde mit der "Insel der Träume" die Oldenburger Theatersaison 1938/39 eröffnet. Nach Aussage der Oldenburger Presse kannte die Begeisterung des Publikums "keine Grenze mehr". Über Zwickau brachte Ostau die Operette nach Berlin. Weil die großen Hauser ablehnten, musste er schließlich mit "Bendows Bunter Bühne" vorlieb nehmen. Der Ausbruch des Kriegs und die veränderte Situation nach 1945 ließen die Operette in Vergessenheit geraten. Erst durch das deutsch-niederländische Musikgeschichtsprojekt wurde sie wiederentdeckt.

Inhaltlich erscheint die "Insel der Träume" als eine Zeitgeist-Collage der 1930er-Jahre, in der auch kleinere Versatzstücke der NS-Ideologie zu entdecken sind. Ostau setzt auf den Wiedererkennungseffekt: Die Anspielungen auf zeitgenössische Filme und Filmschlager sind so deutlich, dass sie dem Werk nahezu epigonale Züge verleihen. Die Schauplätze verweisen bereits auf ihr inneres Spannungsfeld von moderner Technik und romantischen Paradiesträumereien: Der erste und dritte Akt spielen auf einem Flughafen, der mittlere auf einer fernen Südseeinsel.

Die Operette beginnt dynamisch und witzig mit· einem "Chor der Funkerinnen". In der ersten Szene wird der Chef der Fluglinie pathetisch begrüßt. In Wirklichkeit ist der Chef aber eine Chefin und heißt Mabel. Ihr Auftrittslied "Sonne, ich komm dir entgegen" erinnert verdächtig an Hans Albers' Erfolgsschlager "Flieger, grüß mir die Sonne" aus dem Film "F.P.1 antwortet nicht" (1932). Dem Liedtext mit seinem allzu vertrauten Vokabular (Held, Sieger, Stolz, Heimat, Heil, Vaterland) wird allerdings gerade noch die (ideologische) Spitze genommen, weil er sich eben auf eine Frau bezieht und auch von ihr gesungen wird. Für die Rekord-Fliegerin Mabel standen vermutlich die in den 1930er-Jahren populären Fliegerinnen Elly Beinhorn und Hanna Reitsch, möglicherweise auch die Figur der Mabel Atkinson· aus dem Film "Capriolen" (1937) Modell.
Kurz darauf muss Mabel ihren Chefpiloten Jack zurechtweisen, der sich verspätet hat, weil er auf dem Flug von "Frisco nach Honolulu". (der Operettentext liebt amerikanische Wendungen!) von einer neu entdeckten Insel völlig verzaubert wurde.
Am Ende des ersten Akts fliegen Jack und Mabel gemeinsam los, um das "Traumland" zu erkunden. Von seinen eskapistischen Gedankengängen macht Jack nach seiner Ankunft auf der Südseeinsel (im zweiten Akt) kein Geheimnis: Er freue sich, dass er die "Nüchternheit unserer so genannten Zivilisation" einmal vergessen könne ... Als blinde Passagiere sind allerdings Bill, ein Reporter, George, der Flugleiter und Lilian, seine Sekretärin mit an Bord gewesen. Sie stoßen auf der Insel auf Doris, eine attraktive, tänzerisch begabte Südsee-Insulanerin und ihre Gespielinnen.
Ihre Verwicklungen und Liebeleien (schließlich ist "ein bisschen Liebe .... doch so schön!") enden wieder auf dem Flughafen: Jack und Mabel, Bill und Lilian haben sich am Ende des dritten Akts endlich als Paare gefunden, Doris geht mit ihren Freundinnen zur Revue, und George wird ihr Manager. Die Südseeinsel ist mittlerweile durch ein Seebeben wieder vom Meer verschluckt worden. Da bleibt allen zwangsläufig nur noch die moderne Gegenwart, der Notausgang "Traumland" ist verschloss en. Als Konsequenz (und mit dem NS-Frauenbild völlig kompatibel) erkennt Mabel nun, dass ihre wahre Bestimmung nicht im Beruf, sondern an der Seite ihres zukünftigen Mannes hegt ("Ich bin ja nur eine Frau. ") Trotz aller Konvention und Enge wird im Finale ein Lobgesang auf die Freiheit angestimmt: "Freiheit! Dich will ich fassen, kann dich nicht lassen - denn du bist mein!"

Ein unverwechselbares Kennzeichen der "Insel der Träume" sieht Majewski in seinen Memoiren darin, dass in ihr die "Lyrik durch kesse Tanzeinlagen, flotte Melodien und heitere Lieder - ein Ballsaal mit Fracks und großer Garderobe durch sportliches Milieu" ersetzt wurde. Hinzu kam ein kräftiger Schuss Exotismus, der die Handlung, zumindest zeitweise, aus der wirklichen Welt in ein unscharfes "Irgendwo" verlegte.
Vom "Hohngelächter" der "authentischen Operette" und dem "übermütigen Vorgeschmack der längst noch nicht errungenen Freiheit, Gleichheit und Schwesterlichkeit" (Volker Klotz) ist die "Insel der Träume" sicherlich weit entfernt. Gleichwohl sind die Dialoge rund um die Reporter-Figur augenzwinkernd, ironisch und mit Sprachwitz gestaltet. Auch eine vorsichtige Prise Erotik ist auszumachen, zu der nicht zuletzt die Solonummern des Südsee-Girls Doris beitragen. Doppelbödig, entlarvend und subversiv war die Rolle des Funkreporters Bill vermutlich in dem Moment, als Joachim von Ostau sie im Mai 1938 selbst spielte: "Bluffe mit Geschick", "die Leute müssen von dir reden in der Welt", "spiel' den großen Herrn,/ errichte schnell 'nen Weltkonzern!/ was er fabriziert,/ dich äußerst wenig int'ressiert!/ wesentlich nur ist:/ dass du allein Direktor bist!", "Ich kann mich inzwischen anders beschäftigen: Ich werde Frauenherzen knicken!" - all dies sind Lebensratschläge und Selbstcharakterisierungen, die der Zuschauer mühelos auf Ostau selbst beziehen konnte, der als vielgesichtiges Multitalent durch die Heirat mit Erna van Delden, der reichen Fabrikantentochter aus dem Gronauer Delden-Clan, zu Geld gekommen war.

Hans-Martin Majewski hat sich als Komponist an Ostaus Libretto angepasst, zumindest auf den ersten Blick. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass er sich musikalisch durchaus seine Freiheiten nahm und spielerisch-ironisch mit der Handlung umging. Majewski wählte eine Rhythmik und Harmonik, die - nach eigener Aussage "teilweise moderner war, als es die damalige Zeit erlaubte." Bereits die erste Nummer, der komische "Chor der Funkerinnen", weist unverkennbar Jazz-Harmonien und Synkopen auf. Über die "sehr ansprechende, leicht eingängige Musik" heißt es in den "Gronauer Nachrichten" nach der Uraufführung: "Wenn sie sich im Großen und Ganzen auch in dem Stil halt, der sich für dieses Gebiet der leichten Tonkunst herausgebildet hat, so gleitet sie doch nie ins Banale ab, bietet vielmehr den Sängern gut singbare Melodien und für die Gestaltung der Tanze kesse und beschwingte Rhythmen. Die frischen Zwei- und Dreigesänge sind besonders gut geglückt, desgleichen die sehr fesselnden, technisch recht schwierigen Partien für zwei Flügel".

Ostaus und Majewskis Operetten-Erstling feierte in einer ideologisch aufgeladenen Zeit Premiere: Wie der Operettenkomponist Ralph Benatzky in seinem Tagebuch notierte, war im Frühjahr 1938 "alles, alles ... mit einem national gefärbten Spülwasser übergossen". Davon ist die "Insel der Träume" - bis auf die erwähnten Einsprengsel - sicherlich abzugrenzen. Sie war aber trotzdem nicht dagegen gefeit, im Kulturprogramm eine dem NS-Staat genehme Funktion zu übernehmen: Das Zwickauer Tageblatt hob fünf Monate vor Kriegsbeginn als besondere Qualität der "Insel" hervor, dass das "anspruchslos unterhaltenden Werk ... eine fröhliche Stimmung" verbreite. Die "Insel der Träume" fugt sich damit letzten Endes unabhängig von der Intention ihres Komponisten und Librettisten - ins Bild der "neuen Gute-Laune-Operetten" (Kevin Clarke), die vom Propagandaministerium gezielt gefördert wurden und die "alten austrojüdischen" nach 1933 aus den Köpfen verdrängten.

Der Versuch, mit der "Insel der Träume" ein neues musikalisches Südseeparadies zu etablieren, ist bereits an Ursachen gescheitert, die mit dem Werk im engeren Sinne nichts zu tun hatten. Im Rückblick erscheinen die "Insel der Träume", ihre Entstehung und Kontext als besondere, deutsch-niederländische Variante der "Operette unterm Hakenkreuz", die spätestens seit einer Dresdner Tagung im Mai 2005 das Interesse der Forschung gefunden hat.
 

"Nie erlahmende Begeisterung"
Majewski schrieb in seinen Memoiren über von Ostaus Idee, die Operette in einem "Probelauf' mit der EOOG in Gronau aufzuführen: "Die Idee war gut! In seinem Wohnort Gronau wurden geeignete, begabte junge Menschen mit dem nötigen Pfiff, Schmiss und mit der notwendigen Begeisterung ausgesucht. Zudem gab es städtische Orchestergruppen, Laienmusiker, ausgebildete Musikanten und Sänger, die mit Elan an die Proben gingen, einschließlich Chor- und Tanzproben - und eine Vorstellung kam zustande, die für Laien beachtenswert war. Sie war aus einer nie erlahmenden Begeisterung zustande gekommen ... "
 
"Apollo": Saal für Film, Theater und Konzert

Das Apollo-Theater war ein beliebter Kino-, Theater und Konzertsaal. In den Jahren 1934 bis 1940 entwickelte es sich zu einer wichtigen deutsch - niederländischen Kulturinstitution. Nach Umbauten und Modernisierungen ist der verkleinerte Saal heute Teil des Kinocenters in der Mühlenmathe.
Die Anfänge des Apollo-Theaters liegen in den vielfältigen Aktivitäten des Unternehmers Willi Lindebaum, der 1903 vom Holzhandel in das Hotelgewerbe wechselte. Der Gründerboom nach der Verleihung der Stadtrechte (1898) spielte hierbei sicherlich eine wichtige Rolle. Am 27. März 1912 erhielt Lindebaum eine Kino-Lizenz und gründete neben seinem Hotel die "Lichtspiele Westfalischer Hof'. Schon 1913 wurde Lindebaums Idee vom Hotel Horstmöller erfolgreich kopiert. Das Konkurrenzunternehmen "Walhalla" entstand.
Der "Kinematographien-Saal" der "Lichtspiele Westfälischer Hof" wurde u.a. im März 1921 modernisiert und ,erweitert, er umfasst nun 293 Platze. Über ein großzügiges Treppenhaus gelangte man zur Empore.
Aus diesen Jahren haben sich der Arbeitsvertrag des Kinopianisten Robert Vorstheim ("je nach Leistung 35-40 M bei dreitägiger Spielzeit"), Notenmaterial des Kinoorchesters sowie ein Flügel erhalten. Mit dem Einsatz "Polyphar-Kinoton-Appatur" endet mit dem 14.: April 1930 die Stummfilm-Ara. Nach 1933 begann die nationalsozialistische Gleichschaltung der Kinos. Lindebaum führte seinen Kinobetrieb ab September 1934 als Ufa-Kino weiter und stellte so die technische Umrüstung zu einem zeitgemäßen Ton-Film-Theater sicher. Die "Lichtspiele Westfalischer Hof' wurden nun in "Apollo-Theater" umbenannt.
Lindebaum setzte bei der Modernisierung auf die Kombination von Kino-, Theater- und Konzertsaal. Dazu wurden eine Bühne und ein Orchestergraben für 30 Musiker eingebaut. Das Apollo umfasste insgesamt 564 Plätze (374 im Erdgeschoss, 190 auf der Empore, 7 Logen). Die architektonische Gestaltung der Decke und des Balkons zeigten Art-deco-Anklänge. Die Bestuhlung, der Vorhang und die Bemalung waren in Blau und Silber gehalten. Die Eröffnungsveranstaltung am 14. September 1934 orientierte sich an Berliner Vorbildern und zielte in ihrer Gestaltung (Sinfoniekonzert, Festrede, Tonfilm) auf den "gehobenen Geschmack" eines bürgerlichen Publikum ab.
Durch den Umbau des Apollo-Theaters erhielt die schnell wachsende Industriestadt Gronau einen modernen Saal, der die private Bühne des Fabrikantenclubs ("Gesellschaft Erholung") bzw. die Tonhalle Lilienfeld ablöste. Nun konnten auch Produktionen aus der niederländischen Nachbarstadt übernommen werden.

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