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Presseberichte  
     
 

Für "Uschi" ging damals ein Sonderzug auf Strecke
Erinnerung an fast vergessene Gronauer Kulturgeschichte
G r o n a u . Gäbe es nicht hieb- und stichfeste Beweise, niemand würde es glauben: Dank privater Initiative entwickelte sich in den 30er Jahren in Gronau ein reges kulturelles Treiben, das sogar Wellen bis in die benachbarten Niederlande schlug. Beim Betrachten der Namen werden sicherlich zahlreichen älteren Lesern Erinnerungen kommen, manch einer wird sich darauf besinnen, daß damals zur Premiere von "Uschi" ein Sonderzug von Gronau nach Enschede fuhr. Wiederentdeckt hat diese Ara Gronauer Kulturgeschichte WN-Leser Alfred Hagemann, der beim Blättern in alten Notenbüchern der Vergangenheit auf die Spur kam und die Geschichte recherchierte:
1986 sind es auf den Tag genau fünfzig Jahre her, daß einige Gronauer aus privater Initiative eine Operette auf die Bühne brachten. Vielleicht Anlaß genug, um an ein Stück Gronauer Kulturgeschichte der Zwischenkriegszeit zu erinnern, das nicht zuletzt ein Beispiel gelungener deutsch-holländischer Zusammenarbeit ist.
Nach dem Ersten Weltkrieg hat es in Gronau viele Kapellen und kleinere Orchester gegeben, die im "Hotel zum Engel", im "Parkcafé Laurenz" oder in der "Tonhalle Lilienfeld" konzertierten.Anfang der 30er Jahre dann schlossensich Berufsmusiker und Amateure zum "Gronauer Konzert-Orchester" zusammen.
Unter der Leitung von Musikdirektor Bernhard Scheffer spielten fast dreißig deutsche und holländische Musiker einvielseitiges Programm, das von der "Klassik" bis zur "leichten Muse" reichte. Mit dem "Städtischen Musikverein" wurden auch größere Chorwerke und Oratorien aufgeführt.
Eine rege Zusammenarbeit entwickelte sich bald mit Joachim von Ostau, der nach seiner Tätigkeit als Regisseur, Schauspieler und Direktor an den Max-Reinhardt-Bühnen in Berlin als Fabrikant in Gronau lebte. Verheiratet mit der ebenfalls schauspielerisch begabten Tochter von Dr. Hendrik van Delden, leitete er einen Theaterkreis für den "Club", die "Gesellschaft Erholung".
Unter von Ostaus Regie wurden nun mit diesem Theaterkreis und dem "Konzert-Orchester" auch Operetten auf die Bühne gebracht. Pieter Herfst aus Enschede-Dolphia, einem routinierten Kapellmeister und Pianisten, der auch jahrelang in Berlin gewirkt hatte, konnte man für die musikalische Leitung gewinnen.
Am 28. Januar 1936 (vor einem halben Jahrhundert), war dann Premiere von Jean Gilberts Operette "Uschi". Gerda Holsträter und Joachim von Ostau spielten die Hauptrollen. Nach einer Aufführung "im kleinen Kreis" - wie die Gronauer Nachrichten schrieben, soll heißen: im alten Club-Gebäude an der Alstätter Straße, fand die öffentliche Vorstellung in der "Grooten Societeit", der heutigen "Schouwburg" in Enschede satt. Wie die Enscheder Tageszeitung "Tubantia" berichtete, war die Aufführung ein voller Erfolg: Die besten Schlager der Operette mußten unter Beifallsklatschen noch einmal gespielt werden.
1937 wurde "Faust" von Gounod aufgeführt,- und im Mai 1938 gab es eine ganz besondere Attraktion: Joachim von Ostau hatte selbst ein Operetten-Libretto verfaßt und der junge Komponist Hans-Martin Majewski schrieb die Musik dazu. (Majewski wurde in den folgenden Jahren ein berühmter Filmkomponist und feierte in diesen Tagen seinen 75. Geburtstag.)
Die Uraufführung von "Insel der Träume" fand unter Anwesenheit des Komponisten im Gronauer Apollo-Theater statt. Bereits die Anfangsnummer, ein Sekretärinnen-Chor mit rhythmischem Schreibmaschinengeklapper, muß nicht zuletzt wegen des komischen Akzents der holländischen Chormädchen ein rasender Erfolg gewesen sein ...
Durch den Kriegsbeginn wurden die musikalischen Aktivitäten des "Gronauer Konzert-Orchesters" stark eingeschränkt. In der veränderten Situation nach dem Krieg gab es keine Fortführung.
 

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