"GRONAU-REVUE" - EIN
PROJEKT NIMMT GESTALT AN
"Singende und klingende Stadt" seit 1920
Alfred Hagemann hat die
örtliche Kulturgeschichte erforscht / Wiederaufführung von "Insel der
Träume"
Gronau. "Gronau - die
singende und klingende Stadt". Man mag es kaum glauben, aber diesen
Anspruch erhebt die Grenzstadt schon seit 80 Jahren. Damals, in den
"goldenen" 20ern, gehörte Gronau zu den musikalisch attraktivsten
Pflastern im weiten Umkreis. Mitte und Ende der 30 Jahre wies das
hiesige Unterhaltungsprogramm gar großstädtische Züge auf. Damals wurden
in den Gronauer Sälen mehrere Operetten aufgeführt. Einen Höhepunkt
erreichte diese Entwicklung wohl mit der Uraufführung von "Insel der
Träume", zu der der später berühmte Filmkomponist Hans-Martin Majewski
("Liebe 47") die Musik schrieb. Autor des Stücks war ein ebenso
bekannter wie umstrittener Mann: Joachim von Ostau, Ehemann von Erna van
Delden.
Diese und zahlreiche weitere höchst interessante Aspekte der Gronauer
Kulturgeschichte - die tatsächlich bis nach Berlin ausstrahlte - hat der
gebürtige Gronauer Alfred Hagemann aufgearbeitet "Eigentlich wollte ich
ja nur die Geschichte meiner Familie erforschen", erzählt er im Gespräch
mit den WN. Dabei stieß er auf seinen Großonkel Alfred Klose. Und der
gehörte Anfang der 30er Jahre zu einem Kreis von Gronauer und Enscheder
Musikern, die gemeinsam ein Orchester gründeten. Mitglieder waren Nora
Stroink und Durk Dragstra. Die Leitung hatte Bernhard Scheffer, der
gleichzeitig Dirigent des 1920 gegründeten Städtischen Musikvereins war.
Als Sänger taucht immer wieder der "singende Malermeister" August Hoff
auf Die Stimme des Gronauer Baritons sollte einige Jahre später sogar
über den.Reichssender Köln durch den Äther klingen.
Doch wie kommt es, dass Gronau ein derart fruchtbares Pflaster für
Musikschaffende war ?"Die Stadt betrieb schon kurz nach dem Ersten
Weltkrieg eine aktive Kulturpolitik", erzählt Hagemann, der seit Jahren
die Quellen erforscht. Städtisches und bürgerschaftliches Engagement
verbanden sich, um wichtigen Anlässen einen würdigen Rahmen verleihen zu
können. Als Industriestadt mit ständig wachsender Einwohnerzahl bestand
Bedarf an Unterhaltungsmusik - zu einer Zeit, in der dar Radio noch in
den Kinderschuhen steckte. Hotels, Cafés, später Kinos deckten die
Nachfrage nach Kultur. Live-Kapellen traten auf, Tourneetheater spielten
Operetten. Parallel dazu existierte im Fabrikanten-Club eine Kultur der
"guten Gesellschaft". Profi- und Laienmusiker fanden in Gronau daher ein
großes Betätigungsfeld.
"Von Anfang an ist die Musikszene eine deutsch-niederländische", hat
Alfred Hagemann eruiert. Opern- und Operetten wurden gemeinsam mit
deutschen und niederländischen Darstellern/Sängern besetzt und sowohl in
Eschede als auch in Gronau aufgeführt.
Ab etwa 1940 begann sich in Gronau sogar eine eigene Jazz-Szene zu
entwickeln. Der damals noch junge Alfred Dragstra, später
Kulturpreisträger der Stadt, gehörte zu den Aktiven dieser
Musikrichtung, die sich aber wegen der herrschenden Kulturpolitik der
Nationalsozialisten erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickeln konnte.
"lch habe mich auch in benachbarten Orten wie Nordhorn und Ahaus
umgehört", erzählt Alfred Hagemann. "Aber eine derartige musikalische
Entwicklung hat sich damals dort nicht vollzogen. Gronau war darin
einzigartig." Viele in der Weimarer Zeit angelegten Strukturen blieben
bis in die 60er Jahre konstant, einige Institutionen wie der Musikverein
bestehen heute noch. Insgesamt tut sich ein außergewöhnlich
reichhaltiger Fundus auf, der unter anderem in einer Dokumentation
aufgearbeitet werden soll. Aber nicht nur das: Hagemann strebt eine
Neuaufführung der Operette "Insel der Träume" an. Außerdem sollen die
Menschen, die das Gronauer Musikleben prägten, in einer Porträtwand in
der Bürgerhalle verewigt werden, so eine Initiative von Elmar Hoff, dem
Leiter der Kulturbüro GmbH. Auf der anderen Seite sollen Bilder der
Weltstars entstehen, die in Gronau aufgetreten sind, von B. B. King über
Fats Domino bis Ray Charles und den vielen anderen. Der Aufsichtsrat der
Kulturbüro GmbH hat diese Initiativen mittlerweile einstimmig positiv
aufgenommen. Doch zur Umsetzung benötigen die Initiatoren Mithilfe. Der
Heimatverein Epe hat seine Mitwirkung bereits avisiert, zwei Studenten
werden Aspekte der Geschichte in einer Arbeit bearbeiten. Dennoch ist
Mitwirkung weiterer Interessenten dringend notwendig, um die
Dokumentation rund zu bekommen.
Umfangreiche Dokumentation geplant
Schon in den 80er
Jahren hat es Projekte gegeben, bei denen das überliefert Material der
20er und 30er Jahre eine Rolle spielte. Auf den Notenbestand von Alfred
Klose griff das Gronauer Salonorchester zurück, das 1986 auch die
Produktion "Uschi - oder Gronau in den 30ern" auf die Bühne brachte. Die
jetzt ins Auge gefasste Dokumentation soll den gesamten musikalischen
Bereich der vergangenen 100 Jahre in Gronau aus verschiedenen
Perspektiven erfassen. Riesige Vorarbeit hat Alfred Hagemann geleistet.
Doch viel Material muss noch bearbeitet werden. Tobias M. Bürger und
Friederike Düllberg, zwei Studenten aus Gronau an der FH Enschede,
schreiben zu dem Thema ihre Examensarbeit. Wer weiteres Material - auch
leihweise - zur Verfügung sollen kann oder an der Dokumentation
mitarbeiten möchte, kann sich ans Kulturbüro (Tel. 7 18 70) wenden.
Mittlerweile hat der Aufsichtsrat der Kulturbüro GmbH dem Projekt "Wall"
zugestimmt. Musikerporträts sollen die Wände der Bürgerhalle schmücken.
Der Rotary-Club will einen großen Teil der Kosten übernehmen.
Weitere Teilprojekte wie die Wiederaufführung der Operetten oder einer
Stummfilmnacht mit Livemusik auf dem noch vorhandenen Flügel sollen
folgen; übrigens in enger deutsch-niederländischer Zusammenarbeit. Auch
die Euregio will sich daher an den Kosten beteiligen. |